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Hybridsaatgut: Fluch oder Segen?

Regina
Regina
Regina
Regina

Ich habe Gartenbauwissenschaften am WZW in Freising studiert und pflanze in meiner Freizeit auf einem Stück Acker alles an, was Wurzeln hat. Das Thema Selbstversorgung und saisonale Ernährung liegt mir dabei besonders am Herzen.

Lieblingsobst: Quitte, Kornelkirsche und Heidelbeere
Lieblingsgemüse: Erbsen, Tomaten und Knoblauch

Die Kritik an Hybridsaatgut wird immer lauter, aber sind die Vorurteile aber auch begründet? Wir gehen der Sache für Sie genauer auf den Grund.

Saatgut wird in Beet ausgebracht
Hybridsaatgut hat einen schlechten Ruf – aber es hat nicht nur Nachteile [Foto: lovelyday12/ Shutterstock.com]

Hybridsaatgut ist heutzutage ein fester Bestandteil der Landwirtschaft. Bis auf wenige Ausnahmen werden in Deutschland zum Beispiel alle Zuckerrüben- und Maisfelder mit Hybridsorten bestellt und auch in der Erzeugung von Gemüse- und Zierpflanzen werden sie vielfältig genutzt. Nicht nur in Industrieländern wie Deutschland, sondern auch in weniger entwickelten Ländern wie Indien bevorzugen immer mehr Landwirte das teure Hybridsaatgut. Deswegen stellt sich vielen die Frage: Was sind eigentlich Hybridsorten und welches Saatgut ist für den Hobbygärtner das richtige?

Was ist Hybridsaatgut?

Die Züchtung von Hybridsaatgut ist eigentlich nicht sehr kompliziert oder aufwendig und kann bei verschiedensten Pflanzen durchgeführt werden. Hierbei werden zwei Pflanzenlinien oder Populationen mit langjährig gefestigten Eigenschaften gekreuzt. Die Eltern-Pflanzen weisen bestimmte Merkmale stabil und sicher auf, sind durch die wiederholte Verpaarung mit sich selbst aber bereits durch Nachteile der Inzucht gehemmt. Miteinander verpaart erzeugen sie die Hybridgeneration (F1), womit diese sogenannte Inzucht-Depression überwunden wird. So entstehen im Optimalfall Nachkommen mit den gewünschten Eigenschaften nicht nur von einem, sondern gleich von beiden Elternteilen. Hier tritt der sogenannte Heterosis-Effekt zutage: Aus den ingezüchteten Eltern entstehen nun Nachkommen, welche den Ertrag, die Wüchsigkeit und die Robustheit ihrer Eltern um ein Vielfaches übertreffen. Dieser Effekt bringt eine Steigerung des Ertrages mit sich, die der Anbauer nutzen möchte. Robustere Pflanzen wünscht sich natürlich nicht nur derjenige, der davon leben muss, sondern auch der Hobbygärtner freut sich, wenn seine Pflanzen nicht von Krankheiten übermannt werden.
Nützlich ist außerdem, dass Pflanzen aus Hybridsaatgut homogen sind. Sie ähneln sich also alle so sehr, wie es nur geht. Das ist zwar auch bei Pflanzen aus anderen Züchtungsmethoden möglich, wird bei der Hybridzüchtung aber in einem Bruchteil der Zeit, nämlich mit nur einer Kreuzung, erreicht.

Tipp: Die Hybridzüchtung ist nur eine von etlichen Methoden zur Züchtung von Pflanzen. In der Vergangenheit wurden bereits Sorten mithilfe von chemischen oder radioaktiven Behandlungen erzeugt, außerdem werden in der klassischen Linien- und Populationszucht künstlich im Labor veränderte Pflanzenzellen verwendet, um Zuchtziele zu erreichen. Der Begriff „Hybridzüchtung“ hat leider allein schon durch das verwendete Wort einen schlechten Ruf, obwohl diese Methode viele Vorteile bietet.

Tomatenpflanze wird manuell bestäubt
Hybridsorten entstehen durch die gezielte Kreuzung zweier Inzucht-Elternlinien [Foto: potiros tanarm/ Shutterstock.com]

Hybridsaatgut: Vorteile

Hybridsorten können gegenüber ihren Elternlinien einen bis zu 30 % höheren Ertrag bringen. Besonders in Entwicklungsländern kann auf diese Art die Ernährung der Bevölkerung sichergestellt werden. Die Pflanzen sind sich genetisch extrem ähnlich, der Bestand auf dem Feld ist gleich hoch und sie sind zum gleichen Zeitpunkt reif. Auch die geernteten Früchte ähneln sich, sodass die Verarbeitung und Verpackung für den Verkauf sehr viel einfacher ist und Zeit eingespart wird – eine Folge sind dann niedrige Preise für Gemüse in unseren Supermärkten. Ein weiterer großer Vorteil ist die Möglichkeit, allerlei Krankheitsresistenzen in Pflanzen in kurzer Zeit einzukreuzen, ohne Jahre mit der Festigung dieser Eigenschaften zu verbringen. Mittlerweile gibt es viele Tomaten-F1-Sorten mit Resistenzen oder hohen Toleranzen gegenüber typischen Tomatenkrankheiten wie der Samtfleckenkrankheit (Cladosporium fulvum), Kraut- und Braunfäule (Phytophthora infestans) oder auch dem Tomatenmosaikvirus (TMV). Beispiele dafür sind etwa die ‘Kumato F1‘ oder ‘Sungold F1‘.

Verglichen mit der klassischen Zucht durch wiederholte Kreuzung und Selektion ist es mit der Hybridzucht sehr viel leichter, verschiedene Eigenschaften gleichzeitig in eine Sorte einzubringen. Denn je mehr Eigenschaften züchterisch bearbeitet werden sollen, umso länger ist in der Linien- oder Populationszucht der Weg bis zur fertigen Sorte. Als Züchter erspart man sich so bis zu zehn Jahre, um eine Sorte in ihren Eigenschaften zu festigen. Die Hybridzüchtung macht es somit auch möglich, relativ spontan auf besondere Ereignisse zu reagieren wie etwa das Auftreten eines neuen Schädlings oder einer neuen Erkrankung von Pflanzen.

Hybridsaatgut: Nachteile

Hybridsaatgut hat besonders in der Landwirtschaft aber auch Nachteile: Weil es andere Sorten durch seine höhere Leistung einfach aussticht, verstärkt es den Preiskampf am Markt. Landwirte, die kein Hybridsaatgut verwenden wollen, können nicht mehr gewinnbringend wirtschaften, weil diejenigen mit Hybridsaat perfekte Feldfrüchte für einen geringeren Preis anbieten können. Ein großer Nachteil für die Landwirtschaft ist die Tatsache, dass Hybridsaatgut nicht vom Landwirt selbst weiter vermehrt werden kann, weil durch die Kreuzung zweier unterschiedlicher Inzuchtlinien nur noch ein genetisches Durcheinander weitergegeben wird. Die Nachkommen der Hybriden sind ein bunt gemischter Haufen Pflanzen mit unterschiedlichen Eigenschaften und zeigen eine verminderte Leistung – Saatgut muss also für jede Saison neu gekauft werden. Leider ist die Hybridsaat recht teuer, denn die Züchter können durch die Abhängigkeit der Landwirte den Preis selbst festlegen.

viele verschiedene Maissorten
Die genetische Vielfalt unserer Nutzpflanzen ist ein jahrtausendealtes Erbe der Menschheit [Foto: Akarawut/ Shutterstock.com]

Gerade der Ökolandbau lehnt aus diesen Gründen die Hybridzucht ab, auch weil sie das Image des „Unnatürlichen“ hat.
Zweifelsfrei ist es sehr wichtig, dass im Biolandbau auch klassisch gezüchtete Sorten erhalten bleiben, denn sie beinhalten die wertvollen genetischen Ressourcen, aus denen neue Sorten für die Anforderungen der Zukunft gezüchtet werden können. Die Hybridzucht hingegen bedient sich nur eines Bruchteils dieser Ressourcen, wodurch ein Risiko entsteht: Wenn alle Anbauer einer Region dieselbe Hybridsorte verwenden, sind alle diese Pflanzen auch im gleiche Maße anfällig für Krankheiten, Schädlinge oder widrige Umwelteinflüsse – es handelt sich ja sozusagen um eine stark verschärfte Monokultur, die nur aus genetisch identischen Pflanzen besteht.

Nachteilig für den Hobbygärtner ist zudem der Fokus der Hybridzüchtung auf Ertrag und Krankheitsresistenz. Geschmack, Aroma und weitere Inhaltsstoffe wie Vitamine und ätherische Öle bleiben so oft auf der Strecke, die wässrige Supermarkt-Tomate ist ein Paradebeispiel hierfür. Alte und historische Sorten bringen weniger Ertrag und brauchen mehr Erfahrung in der Pflege, sie entlohnen dafür auch mit oft einmaligen Aromen, Fruchtformen und -farben. Hybridsaatgut kostet leicht ein Vielfaches von samenfestem Saatgut und die Auswahl ist ungleich kleiner. Zudem leistet jeder Hobbygärtner einen Beitrag zum Sortenerhalt und somit zum Erhalt der genetischen Vielfalt, wenn mehr samenfeste Sorten angebaut werden. Was der Verlust dieser Vielfalt bedeutet, kann man gut am Beispiel der ‘Cavendish‘-Banane sehen. Diese Banane war jahrzehntelang die einzige, die im Handel und in unseren Bäuchen gelandet ist. Die großen Bananenplantagen der Welt entstanden durch Ableger einer einzigen Pflanze, bis ein Fusarium-Pilz ihre Abwehr knackte und die Bananenproduktion der ganzen Welt auf einen Schlag gefährdete.

Wenn Grundkenntnisse in der Pflanzenzüchtung vorhanden sind, dann ist es problemlos möglich, selbst Samen von klassischen Sorten zu ernten und die Sorteneigenschaften zu erhalten. Nebenbei spart man so natürlich auch bares Geld und erhält unser aller Kulturgut, welches die Menschheit seit Jahrtausenden mühsam gezüchtet und gepflegt hat.

Die Vorteile und Nachteile von Hybridsaatgut auf einen Blick:

VorteileNachteile
Höherer ErtragHohe Preise
Resistenter gegenüber vielen KrankheitenSaatgut muss jedes Jahr neu gekauft werden
Neue Sorten können schnell in ihren Eigenschaften gefestigt werdenOftmals wenig aromatisch
Beitrag zum Sortenerhalt und der genetischen VielfaltVerlust der Sortenvielfalt und zu wenig genetische Diversität

Möchten Sie von Ihren Lieblingssorten Saatgut für das nächste Jahr gewinnen, wissen aber nicht genau Bescheid, worauf Sie achten sollen? Alles zum Thema finden Sie in unserem Spezialartikel.